Wegweiser des Herzens
Oben angelangt, hatte Sina einen erhabenen Blick auf das offene Meer. Die untergehende orangerot leuchtende Sonne hatte schon fast den Horizont erreicht. Sie schien direkt im Meer zu versinken. Ihr leuchtender Feuerball spiegelte sich in der Meeresoberfläche. Ein fantastisches Schauspiel der Natur. In diesem Moment erinnerte sich Sina an etwas, das ihre Mutter einmal vor vielen Jahren, als beide einige Tage auf einer Insel verbrachten, gesagt hatte. Damals hatten sie zusammen im warmen Sand gesessen und gemeinsam dem Sonnenuntergang zugesehen.„Weißt du mein Mädchen, wenn du dich alleine fühlst und deine Ängste wachsen, denke immer an diesen herrlichen Sonnenuntergang. Er kann dir Hoffnung geben. Warte auf die Sterne, die am Himmel erscheinen werden. Sie werden dir den Weg leuchten. Hier im Norden sagen die alten Schiffer: Wenn du deinen Weg suchst, schau hinauf in die Sterne. Sie führen dich zum Ziel. Das ist so sicher, wie dass auf Ebbe die Flut folgt.“Sina beobachte gedankenversunken den wunderbaren Sonnenuntergang. Warum dachte sie ausgerechnet jetzt so oft an ihre Mutter? Gerade als sie versuchte, darauf eine Antwort zu finden, riss sie lautes Hundegebell aus ihren Gedanken. Sie drehte sich in die Richtung, aus der das Gebell zu kommen schien und sah einige Meter entfernt, hinter der Dünenlandschaft ein altes Friesenhaus. Vor dem Haus lag ein Fischerboot. Neben diesem stand ein Mann, der mit zwei Hunden spielte. Das Toben ging schließlich in Streicheleinheiten über, als sich der Mann auf den Boden fallen ließ und die Hunde sich rechts und links von ihm auf seine ausgestreckten Arme legten. Sina beobachte gerührt die Szene, die eine ganze Weile andauerte, bis der Mann sich erhob und den beiden Hunden zurief: „So ab geht es, ihr Streuner.“ Die Hunde wedelten freudig mit dem Schwänzen und trollten sich ins Haus. Der Mann wandte sich seinem Boot zu und griff gerade nach der Schleifmaschine, als er hoch in Richtung der Dünen blickte und Sina entdeckte. Sina fühlte den durchdringenden Blick des Unbekannten auf sich. Deshalb hob sie den Arm und winkte ihm zu. Erst passierte gar nichts. Keine Reaktion. Doch dann hob der Mann seinen Arm, winkte zurück und rief: „Komm doch runter! Der Sonnenuntergang ist vorbei“. ‚Seine ruhige, tiefe Stimme klingt ein wenig schelmisch,‘ dachte sich Sina, ‚aber auch irgendwie sehr sympathisch.‘ Und so machte sie sich auf den Weg zu ihm.