Mit den ersten Sätzen bereits steuern diese Geschichten auf ihren geheimen Kern zu. Der Leser spürt, daß er in etwas hineingezogen ist, das ihn umfängt und bis zum Schluß nicht losläßt. Er kennt das wohl von Kriminalgeschichten oder von phantastischen Erzählungen (und an beide klassischen Formen der story grenzt die eine oder andere Geschichte der Sammlung tatsächlich). Aber hier versetzt den Leser noch etwas anderes in einen Spannungszustand. Es hat mit dem Angst- oder Wunschstoff zu tun, der hier mit unerhörter, befreiender Leichtigkeit in lauter Geschichten verwandelt wird. Erotische Wünsche verborgener oder beklemmend alltäglicher Natur, ängste von Kindern, Ehepartnern, Obsessionen von Randgängern der Städte und der Gesellschaft werden bei Cortázar mit einer verwegenen und stets präzisen Vorstellungskraft zu Geschichten, die er uns erzählt. In Liliane weint erfahren wir aus dem Tagebuch eines Mannes, daß er auf den Tod krank ist und dieses Wissen vor seiner Frau Liliane zu verbergen sucht. Träumend und schreibend nämlich überspringt er seinen eigenen Tod und weiß seine Frau glücklich in den Armen eines anderen Mannes. Wenn er am Ende seine Gesundheit wiederzuerlangen scheint, ist aus ängsten längst eine Glückserfahrung geworden, die von der Wirklichkeit nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Manuskriptfund in einer Jackentasche, in Anspielung auf eine Erzählung von Edgar Allen Poe, zeigt einen Protagonisten, der das Streckennetz der Pariser Untergrundbahn zum Operationsfeld seiner erotischen Spielobsession macht. Die Frau am Fenster dort, die gleichgültig in die spiegelnde Scheibe sieht, wird er ansprechen, falls sie nur, der verzweifelt komplizierten Spielregel des Mannes folgend, an eben jener vorbestimmten Station aussteigt. In Sommer erzählt Cortázar von einem Mann und einer Frau, deren erstarrte Beziehung durch die nächtliche Komplizenschaft eines kleines Mädchens mit einem weißen Pferd aufgestört wird und so in einem gespenstigen Licht erscheint. In Geschichten, die ich mir erzähle sagt eine Frau einen Satz, der charakteristisch ist für Cortázars Verständnis von Phantastik und Wirklichkeit: „Ich habe mit dem Fernfahrer geschlafen, sag's Alfonso, wenn du willst. Er ist auf seine Art eh schon davon überzeugt, er glaubt es nicht, aber er ist sich völlig sicher.“ Diese Sammlung von zwölf Erzählungen wurde von Cortázar selbst zusammengestellt.